Die Arbeitswelt wird immer vernetzter, Karrieren verlaufen längst nicht mehr nur innerhalb nationaler Grenzen. Vielleicht steht auch dein nächster Karriereschritt vor der Tür – und führt dich in ein internationales Umfeld, in dem nicht mehr das klassische deutsche Arbeitszeugnis zählt, sondern ein „English Reference Letter“. Doch wie funktioniert diese Form des Zeugnisses eigentlich? Was sind die entscheidenden Unterschiede? Wie kannst du damit deine Bewerbung im globalen Wettbewerb stärken? In diesem umfassenden Leitartikel tauchst du tief in die Welt des englischen Arbeitszeugnisses ein – mit Expertenwissen, Beispielen aus der Praxis und konkreten Empfehlungen, wie du dich und deine Leistungen bestmöglich präsentierst.
Warum ein englisches Arbeitszeugnis immer wichtiger wird
Die Globalisierung krempelt die Arbeitsmärkte um. Deutsche Fachkräfte sind international gefragt, Unternehmen agieren weltweit und Auswahlprozesse laufen oft grenzüberschreitend ab. Ein englisches Arbeitszeugnis wird in diesem Kontext zum Türöffner: Es bildet die Brücke zwischen deiner Karriere in Deutschland und neuen Perspektiven im Ausland. Viele internationale Konzerne erwarten sogar explizit ein englischsprachiges Empfehlungsschreiben. Auch wenn du dich bei Unternehmen mit Headquarter in den USA, Großbritannien, Australien oder Kanada bewirbst, ist ein professioneller Reference Letter praktisch Pflicht. Hinzu kommen Recruiting-Plattformen wie LinkedIn, die mit Empfehlungsschreiben, Skill Badges und digitalen Referenzen arbeiten und so den HR-Standard weiterentwickeln. Deine Fähigkeit, ein überzeugendes englisches Arbeitszeugnis vorzulegen, macht dich somit deutlich attraktiver für Personalentscheider weltweit – und kann der entscheidende Faktor sein, um dich aus der Masse der Bewerber:innen hervorzuheben.
Begriffsklärung und Abgrenzung
Deutsches Arbeitszeugnis vs. English Reference Letter vs. Letter of Recommendation
Um die Unterschiede zu verstehen, lohnt sich zunächst ein Blick auf die Begriffswelt. Während das deutsche Arbeitszeugnis amtlich geregelt ist und präzise in Inhalt und Form vorgeschrieben wird, handelt es sich beim englischen Reference Letter hauptsächlich um eine formlose, individuelle Beschreibung deiner Tätigkeit und Leistung durch eine vorgesetzte Person oder einen Kollegen bzw. eine Kollegin. Der „Letter of Recommendation“ geht noch einen Schritt weiter und wird oft für akademische Zwecke oder zur Bewerbung um ein Stipendium eingesetzt, ist aber auch in manchen Berufen üblich.
Arbeitszeugnis (Deutschland):
Gesetzlich geregelt, Anspruch auf Ausstellung
Wohlwollende, aber wahrheitsgetreue Bewertung
Standardisierter Aufbau, verschlüsselte Formulierungen, oft im Code
English Reference Letter (UK/USA/Australien):
Freie Form, keine gesetzliche Pflicht
Persönlichkeit des Ausstellenden und individuelle Einschätzung im Vordergrund
Direkte, „offene“ Sprache statt Code oder standardisierter Skalen
Letter of Recommendation:
Eher persönlich-emotional gefärbt
Stärker auf akademische oder charakterliche Aspekte bezogen
Fokussiert auf Potenzial, Eignung, Werte und Integrität
In angelsächsischen Ländern gibt es also kein direktes Äquivalent zur sehr formalisierten und rechtlich kodifizierten deutschen Zeugnis-Kultur. Vielmehr steht die individuelle Expertise des Ausstellenden und seine persönliche Einschätzung im Zentrum.
Funktion, Umfang und rechtlicher Rahmen
Deutsche Praxis: Pflicht und Sicherheit
In Deutschland besteht ein rechtlicher Anspruch auf ein Arbeitszeugnis bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein wohlwollendes, aber wahres Dokument zu verfassen, das sowohl die Tätigkeiten als auch die Leistung und das Sozialverhalten bewertet. Der Gesetzgeber gibt hierfür den Rahmen und die Sprache vor.
Angelsächsische Praxis: Vertrauen und Freiwilligkeit
Im englischsprachigen Raum handelt es sich um eine unregulierte Empfehlung. Das bedeutet: Es gibt keine Verpflichtung, ein solche Referenz auszustellen. Auch Inhalt, Umfang und Ton sind nicht rechtlich vorgegeben. Das erhöht die Authentizität, bedeutet aber auch ein größeres Risiko – für dich, aber auch für den Aussteller. Viele Unternehmen beschränken sich daher auf sachliche Informationen zum Beschäftigungszeitraum und zur Position. Insbesondere in Branchen mit hoher Haftungsneigung (z. B. Finanzsektor) werden Negativaussagen oft vermieden oder das Referenzschreiben ganz abgelehnt.
Form und Aufbau eines englischen Arbeitszeugnisses
Inhaltliche Struktur
Ein englisches Arbeitszeugnis folgt keinem starren Schema, hat aber typische Grundelemente:
Header/Briefkopf: Firmenlogo oder Kontaktinformationen, ggf. „To whom it may concern“
Einleitung: Vorstellung des/der Ausstellenden, Beschreibung der Beziehung zur empfohlenen Person (z. B. Vorgesetzte:r, Kollege/Kollegin)
Beschäftigungsdaten: Zeitraum, Position, evtl. Abteilung
Tätigkeitsbeschreibung: Übersicht der wichtigsten Aufgaben, Projekte, Verantwortungsbereiche
Leistungsbeurteilung: Einschätzung zu Arbeitsergebnissen, Professionalität, Einsatzbereitschaft, Problemlösungsfähigkeit
Soft Skills und Sozialverhalten: Teamfähigkeit, Kommunikation, Integrität, Führungsqualitäten
Schlusssatz: Zusammenfassende Empfehlung, ggf. Kontakt für Rückfragen
Unterschrift und Datum: Name, Funktion, Originalunterschrift, idealerweise auf offiziellem Firmenpapier
Beispiel
[Company Letterhead]
Date
To whom it may concern,
I am writing to confirm that Ms. Jane Doe was employed as a Marketing Manager at ABC Ltd. from January 2021 to June 2024. In my capacity as her direct supervisor, I was able to observe her professionally and personally during this time.
During her employment, Ms. Doe was responsible for developing and implementing the company's digital marketing strategy, managing a team of five, and coordinating cross-functional projects. She demonstrated exceptional organizational skills, analytical thinking, and a strong commitment to achieving results.
Jane consistently delivered high-quality work under tight deadlines and quickly adapted to changing market requirements. She was highly regarded by colleagues and management alike for her communication skills, reliability, and leadership.
I highly recommend Ms. Doe for any future professional opportunities. Should you need further information, feel free to contact me.
Sincerely,
[Signature]
John Smith
Head of Marketing
Sprachliche Besonderheiten
Tone of Voice – Offenheit statt „Geheimcode“
Anders als in deutschen Arbeitszeugnissen, wo mit codierten Formulierungen diskrete Abstufungen geschaffen werden, geht es beim englischen Reference Letter um Klarheit und Authentizität. Du wirst selten Floskeln wie „to our complete satisfaction“ lesen. Vielmehr zählen ehrliche und direkte Aussagen. Hier wird offen gelobt – oder gegebenenfalls Kritik realistisch, aber taktvoll formuliert. Die Sprache ist meist freundlich, enthusiastisch und direkt.
Positiv beispielhafte Formulierungen:
- „She consistently exceeded expectations and demonstrated a proactive approach to problem solving.“
- „He is a dedicated, highly skilled team player who requires minimal supervision.“
- „Her leadership skills contributed significantly to department productivity and morale.“
Negative oder verhaltene Formulierungen werden meist vermieden, außer nach ausdrücklicher Aufforderung durch eine andere Firma (etwa bei sehr sensiblen Tätigkeiten). Ein Satz wie „I can confirm that Mr. Smith was employed from 2022 to 2025.“ wäre aus britischer Sicht bereits ein Hinweis auf eine neutrale bis mäßige Einschätzung.
Direktheit vs. Codierung
Die große Stärke des englischen Arbeitszeugnisses liegt also im Mut zur Individualität. Jede Zeile wird nach außen hin gelesen – ein internationaler Personaler erkennt sofort, wenn dein Zeugnis nur die „Pflichtteile“ enthält. Die beste Wirkung erzielst du, wenn dein Reference Letter spezifische Beispiele, Fakten und eine persönliche Handschrift der referenzierenden Person transportiert.
Rechtliche Grundlagen und Standards
Gibt es gesetzliche Regelungen?
In Großbritannien, den USA, Australien und Kanada existieren kaum gesetzliche Vorgaben für Referenzschreiben. Es gibt also weder ein Recht auf ein Zeugnis noch verbindliche Vorgaben, was und wie formuliert werden muss. Die Aussteller:innen sind allerdings an allgemeine Gesetze gebunden (bspw. Gleichbehandlung, Datenschutz, keine Verleumdung). Verstöße (z. B. falsche oder unwahre Angaben) können unter Umständen zum Schadensersatz oder zu Haftungsrisiken führen.
Viele britische oder amerikanische Unternehmen entscheiden sich daher, nur noch die „reinen Fakten“ zu bestätigen – Position, Beschäftigungszeitraum, keine detaillierte Beurteilung. Hintergrund ist neben rechtlichen Unsicherheiten der Wunsch, keine ungewollten Nachteile für den/die Arbeitnehmer:in zu erzeugen oder ins Risiko zu geraten.
Datenschutz, Unterschrift, Firmenpapier
Gerade im internationalen Kontext zählt, dass dein Zeugnis auf offiziellem Briefpapier erstellt und eigenhändig unterschrieben wird. Angaben zu personenbezogenen Daten dürfen nur im Einklang mit den Datenschutzvorgaben gemacht werden; sensible Details wie Abwesenheitszeiten oder Kündigungsgründe gehören nicht in einen standardmäßigen Reference Letter. Die Kontaktmöglichkeit für Rückfragen ist ausdrücklich erwünscht und ein Beweis für die Glaubwürdigkeit des Ausstellers.
Kulturelle Unterschiede und interkulturelle Kompetenz
Wer stellt im Ausland einen Reference Letter aus?
Im Unterschied zur deutschen Praxis kommt ein Reference Letter oft von Vorgesetzten, Projektleiter:innen oder – etwa im universitären Bereich – Dozenten oder Kolleg:innen. Es muss nicht zwingend die Personalabteilung oder die Firmenleitung beteiligt sein, vielmehr zählt die persönliche Erfahrung mit deiner Arbeit. Die Hierarchieebene sollte dennoch zu deiner Position passen. Eine Referenz deines direkten Teamleiters ist authentischer als eine von der Geschäftsführung, die dich kaum kannte.
„Soziale Codes“ und HR-Praxis
In angelsächsischen Ländern ist das Empfehlungsschreiben eher eine Geste als ein Recht. Du solltest daher höflich und rechtzeitig fragen, ob und wie du eine solche Referenz bekommen kannst. Habe Verständnis, wenn größere Unternehmen dies aus juristischen Gründen ablehnen oder nur Basisinformationen herausgeben – auch das ist ein kultureller Unterschied zur deutschen Praxis. Besonders in Großbritannien, aber zunehmend auch in den USA, geben große Arbeitgeber oft sogenannte „Employment Certificates“ (reine Tätigkeitsnachweise ohne Wertung) statt echter Empfehlungsschreiben heraus.
Unterschiede in der Bedeutung von Referenzen
Während in Deutschland der formale Nachweis und die verschlüsselte Bewertung zählen, setzen angelsächsische Firmen stärker auf persönliche Kontakte, telefonische Referenzen oder sogar LinkedIn-Empfehlungen. Der „Placement Call“ – das direkte Nachhaken beim Aussteller deiner Referenz – ist in UK/USA durchaus üblich. Auch Netzwerke pflegen ist also entscheidend für deinen Bewerbungserfolg.
Tipps für Bewerber:innen
Wie forderst du ein englisches Arbeitszeugnis korrekt an?
Gerade wenn dein(e) ehemalige(r) Arbeitgeber:in nicht im angelsächsischen Raum beheimatet ist, musst du manchmal Überzeugungsarbeit leisten. Erkläre, warum du ein „Reference Letter in English“ benötigst und biete eventuell eine Vorlage oder Beispieltexte an. Betone, dass die Referenz persönlich formuliert werden kann und nicht in Code-Wortwahl oder streng nach deutschem Schema übersetzt werden muss.
Beglaubigte Übersetzung – ja oder nein?
Vor allem für Bewerbungen in stark regulierten Branchen (z. B. Medizin, Recht, Finanzen) empfiehlt sich eine professionelle und beglaubigte Übersetzung deines deutschen Arbeitszeugnisses. Für viele internationale Firmen und weniger regulierte Bereiche reicht aber meist auch eine von dir – oder deinem Arbeitgeber – eingereichte, sinngemäß frei übersetzte Variante. Wichtig ist, dass das Verhältnis zur deutschen Originalversion transparent bleibt.
Umgang mit Lücken oder „kritischen Stationen“
Im Reference Letter wird nicht jedes Detail einer Station ausformuliert. Falls du Lücken, kritische Abschiede oder Streitigkeiten hattest, empfiehlt sich Offenheit im Gespräch – möglichst ohne dass dies ausführlich im Reference Letter thematisiert wird. Angelsächsische Referenzen sind selten ausschweifend negativ. Fehlt eine positive Einschätzung jedoch ganz oder ist die Sprache sehr nüchtern, kann dies als Warnsignal gelesen werden. Deshalb: Vorher klären, wem und wie du eine Anfrage stellst.
Tipps für Arbeitgeber:innen in Deutschland
Wann und wie macht ein englisches Arbeitszeugnis Sinn?
Immer wenn du Mitarbeiter:innen hast, die sich international orientieren oder in gemischten Teams arbeiten, lohnt es sich, ein englisches Arbeitszeugnis anzubieten. Das zeigt Offenheit und internationale Kompetenz. Du kannst – nach Absprache – auf Vorlagen und Sprachtools zurückgreifen, solltest aber darauf achten, dass Formulierungen keine versteckten Codes enthalten. Ziel ist ein authentischer, freundlicher, wertschätzender Ton, idealerweise mit konkretem Bezug zu Projekten und Soft Skills.
Risiken und Stolperfallen
Anders als beim deutschen Arbeitszeugnis besteht keine Rechtspflicht auf Ausstellung und auch keine Pflicht zur wohlwollenden Formulierung. Eine zu offene Negativwertung oder sogar abwertende Bemerkungen könnten je nach Zielland aber rechtlich problematisch werden – und dem Ruf deiner Firma schaden. Im Zweifel sollte man die Empfehlung lieber auf sachliche, höflich-positive Inhalte beschränken.
Trends und internationale HR-Standards
LinkedIn, Skill Badges und KI-Recruiting
Die Digitalisierung hat große Auswirkungen auf die Bedeutung und den Aufbau von Arbeitszeugnissen und Referenzschreiben. Neben klassischen Dokumenten zählen vermehrt digitale Skills, offene LinkedIn-Endorsements, Empfehlungen auf Karriereportalen und gar Referenzen aus KI-gestützten HR-Prozessen. Recruiter:innen weltweit setzen im Screening-Prozess auf Matching-Algorithmen, digitale Netzanalyse und automatisierte Kompetenzprofile. Dennoch bleibt der persönliche Reference Letter eine glaubwürdige und hoch geschätzte Ergänzung digitaler Profile – besonders, wenn er inhaltlich spezifisch, individuell und nachvollziehbar verfasst ist.
Bedeutung in UK, USA, Kanada und Australien
Während Großbritannien oft auf neutrale Employments-Bestätigungen umschwenkt, legen amerikanische Unternehmen Wert auf eine individuelle Leistungsbeschreibung. In Kanada und Australien ist eine Mischung aus beiden Modellen gebräuchlich. Wichtig sind landestypische Umgangsformen, aber auch die Fähigkeit, sich klar, wertschätzend und dennoch sachlich auszudrücken. Deine internationale Bewerbung profitiert, wenn du mehrere regionale Eigenheiten kennst und dein Arbeitszeugnis entsprechend anpasst.
Schlussgedanke
Ob du dich für die Arbeit in einem britischen Start-up, einer US-amerikanischen Beratungsfirma oder einer australischen NGO bewirbst – ein authentisches, professionelles englisches Arbeitszeugnis verleiht deinem Profil Glaubwürdigkeit und Individualität. Sei mutig, setze auf Offenheit, fordere im guten Ton deine Empfehlung ein und biete deinem Referenzgeber praktische Unterstützung an. Übersieh dabei nie die spezielle Kultur und den juristischen Rahmen deines Ziellandes. Persönliche Beziehungen und Netzwerkpflege sind ebenso entscheidend wie ein gelungenes Anschreiben.
Mit einem individuell auf dich zugeschnittenen Reference Letter hebst du dich von Mitbewerber:innen ab und zeigst, dass du die Regeln internationaler Karrieren verstanden hast. Ein solches Zeugnis ist viel mehr als eine Übersetzung des Arbeitszeugnisses – es ist deine Eintrittskarte in die globale Arbeitswelt.